Wahrnehmung und Kognition

Unsere Alltagserfahrung vermittelt uns den Eindruck, dass die Welt genauso ist, wie wir sie wahrnehmen. Die über unsere Sinne verfügbare Information ist aber immer unvollständig, in der Regel stark verrauscht und kann sogar zu mehr als einer Interpretation passen (siehe Abb. 1 und 2). Daraus folgt, dass Unterscheidungen zwischen Wirklichkeit und Täuschung beschränkt sind durch die Leistungsfähigkeit unseres Wahrnehmungssystems und der Verlässlichkeit unseres Gedächtnisses. Wahrnehmung ist somit ein Kernbereich psychophysischer Wechselwirkungen und der Geist-Materie Debatte. Wahrnehmungstäuschungen und Wahrnehmungsanomalien können als außergewöhnliche visuelle Erfahrungen erlebt werden und zu veränderten, und gegebenenfalls instabilen Bewusstseinszuständen führen. Wahrnehmungsanomalien können aber auch von veränderten, instabilen Wahrnehmungs- und Bewusstseinszuständen ausgehen.

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Abbildung 1. Die konvexe Vorderseite (links) und die konkave Rückseite (rechts) einer Charlie Chaplin Maske. Auch wenn wir kognitiv um die Konkavität einer Maskenrückseite wissen, nehmen wir sie konvex war. Quelle: Max Planck Institut für Biological Kybernetik, Tübingen, (siehe auch Hill and Johnston 2007)

Ziel unserer Arbeit ist es, über die Erforschung von Wahrnehmungsprozessen und Wahrnehmungsanomalien ein besseres Verständnis psychophysischer Wechselwirkungen zu erlangen. Mit Hilfe geeigneter visueller Stimuli versuchen wir, unter kontrollierten Laborbedingungen bei Versuchspersonen instabile Wahrnehmungszustände zu erzeugen. Diese instabilen Wahrnehmungszustände untersuchen wir dann als Modell für instabile mentale Zustände, wie sie möglicherweise bei Menschen mit außergewöhnlichen Erfahrungen oder bei veränderten Bewusstseinszuständen, z.B. im spirituellen Umfeld auftreten können. Mit psychophysischen Methoden sowie dem Einsatz von Elektroenzephalografie (EEG), funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) und Augenbewegungsmessungen versuchen wir, die Prozesse, die solchen Wahrnehmungsinstabilitäten zu Grunde liegen, besser zu verstehen. Dazu nutzen wir unter Anderem auch Methoden aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz.

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Abbildung 2. Adelsons Checker-Shadow Täuschung (siehe auch Adelson EH 1993). Links: Das Quadrat ,B' erscheint viel heller als das Quadrat ,A'. Rechts: Eine Maske isoliert Bereiche der Quadrate ,A' und ,B' von ihrem Kontext. Dabei wird deutlich, dass ,A' und ,B' gleich hell sind. Bildquelle: Michael Bachs Website über Optische Täuschungen

In Kooperation mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, sowie der Psychiatrie Strasbourg untersuchen wir in diesem Zusammenhang u.a. Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen, die zum Teil pathologisch unter instabilen Wahrnehmungs- und/oder mentalen Zuständen leiden, um Modelle und daraus resultierende Hypothesen zu testen und gleichzeitig diese Erkrankungen besser zu verstehen.


Referenzen

Adelson EH (1993). Perceptual organization and the judgment of brightness. Science (New York, N.Y.),262(5142), 2042-2044 .

Hill H & Johnston A (2007). The hollow-face illusion: Object-specific knowledge, general assumptions or properties of the stimulus? Perception, 36(2), 199-223.

Ausgewählte Pressereaktionen

Reaktionen auf die Mona Lisa Studie:

Liaci E, Fischer A, Heinrichs M, Tebartz van Elst L, Kornmeier J (2017) Mona Lisa is always happy – and only sometimes sad. Scientific Reports 7, 43511.

Pressestelle der Universität Freiburg

Bild der Wissenschaft

EurekAlert (AAAS)

Academic Minute

Time Magazine

Reaktionen auf die Duft-Gedächtnis-Studie:

Neumann F, Oberhauser V, Kornmeier J (2020) How our nose helps us optimize learning while we sleep – from lab research to real life. Scientific Reports 10, 1227.

Puls Reportage des Bayerischen Rundfunks auf youtube vom November 2021

Deutschlandfunk

Focus

Der Standard